Murmillo-Archiv

Donnerstag, 24. September 2015

OVID: AMORES I, 4: DIE "CENA": OVID VERSUCHT DEN MANN VON CORINNA AUSZUTRICKSEN, WAS IHM FAST GELINGT-LEIDER GIBT'S DA AM ENDE EIN PROBLEM

OVID und sein Liebchen CORINNA sind zu einer "cena" geladen. Wunderbar! Es gibt da nur ein kleines Problem: Der Mann von CORINNA kommt auch. OVID-so gar nicht eifersüchtig-wünscht, daß es das letzte Gastmahl für den Typen wäre. Er ist überhaupt nicht "amused", die Statistenrolle einzunehmen und zusehen zu müssen, wie der an CORINNA rummacht. Wenn er sich den so anguckt, wundert ihn nicht, daß einst die Kentauren-vermutlich in angesoffenem Zustand (so sind sie halt, die Kentauren)- bei einer ganz ähnlichen "cena" gegen die Lapithen kämpften, weil sie die Tochter des Atrax für sich haben wollten. Das schöne Kind hieß übrigens Hippodameia. Ich glaube nicht, daß die Lust hatte, mit einem primitiven Kentauren Händchen zu halten.
Doch OVID will kein Kentaure sein, der im Walde wohnt. Er ist ein urbaner "poeta doctus" und kein "rusticus". Dennoch: Er kann sich kaum zurückhalten, sein Feinsliebchen "anzutatschen". Armer OVIDIUS: Immer unter Strom!
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Da kommt ihm ein genialer Einfall: Sie soll vor ihrem Alten kommen, dann können sie "noch etwas machen". Auch soll sie ihrem Mann die kalte Schulter zeigen und sich mit OVID durch geheime Zeichen (auf den Fuß treten, Winke, Mienen, die Braue, Worte, im Wein gezeichnet etc.) verständigen. Wenn sie an gemeinsame Nächte denkt-Hand an die Wange! Wenn sie ihn kritisiert-Hand ans Ohrläppchen! Wenn ihr sein Blabla gefällt-Ring am Finger drehen! Wenn sie ihren Gatten zur Hölle wünscht-den Tisch berühren, wie die Beter den Altar.
(Die Liebe bahnt sich auf verschlungenen Pfaden ihren Weg. OVID erweist sich wieder einmal als rechter Filou, dem jedes Mittel recht und billig ist, den Gegner aus dem Felde zu schlagen. Er rät ihr sogar, ihren Mann zu betrügen. So kennen wir ihn. Ist OVID ein Immoralist oder tut er nur so? Bei OVID weiß man ja nie, ob er es ernst meint oder Scherz treibt.)
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Dann folgt ein kompliziertes "Becherritual". Er will an der Stelle des Bechers trinken, die zuvor ihre Lippen berührt hat (Vorsicht, Bazillen!). Sie soll bloß nicht aus derselben Schüssel schlürfen wie ihr Mann, denn die ist durch ihn beschmutzt! Auch soll sie ihn nicht an sich herumfingern lassen. Vor allem: hands off the tits!
Dann droht er ihr scherzhaft: Wenn du mit ihm knutschst, dann erzähl ich ihm alles!
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Den Kuß könnte OVID noch sehen. Sie solle aber tunlichst das vermeiden, was sich unter den Gewändern abspielt. Keine Berührungen mit dem rohen Kerl. Doch OVID fürchtet nun, für seine Dreistigkeit zahlen zu müssen, indem der Kerl sein Tun nachahmt. Oft haben er und CORINNA sich unter ihren Kleidern befummelt. Das tue sie aber nicht, nein! Um sicherzugehen, solle sie den Mantel ablegen. Der hat nämlich schon einiges von dem gesehen, was zwischen OVID und CORINNA lief.
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Nächster Schritt von OVIDS Schlachtplan: Sie soll ihn mit ungemischtem Wein (=barbarisch) betrunken machen (der Vergleich mit den Kentauren drängst sich auf). Dann hätten sie endlich Zeit für sich. Beim Heimgehen soll sie sich in der Mitte der Leute halten, dort wartet nämlich OVID. Es folgt: Eine Aufforderung zu unsittlicher Berührung!
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Doch, o Jammer, die Rechnung geht nicht ganz auf, denn der Mistkerl sperrt CORINNA nachts ein! Nun muß sie ihren sog. "ehelichen Pflichten" nachkommen (Zwang!). Ganz anders bei Ovid: Ihm hat sie dies gerne gewährt. Er rät ihr, sich zu sträuben, sich müde und kalt zu stellen. Wenn OVIDS Wunsch in Erfüllung geht, dann hat der Ärmste wenig Spaß "this night". Wenn nicht, solle sie keinen Spaß daran haben. Egal, was passiert, er will es morgen nicht wissen. OVID bevorzuge "sweet lies" (nicht die Wahrheit).
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Wer hat also im "match" gewonnen? OVID oder der Kerl? Hard to say. Ich würde sagen, der "Erfolg" ihres Mannes ist ein Scheinsieg (Pyrrhussieg), wiewohl er eine-wenn auch traurige-Liebesnacht mit ihr zu verbringen das zweifelhafte Vergnügen hat. Lange läßt sich CORINNA das wohl nicht mehr bieten, irgendwann läuft sie ihm davon. OVID hingegen, der charmante "loser", den er vorgibt zu sein, ist der moralische Sieger und eigentliche Gewinner, weil er ihr Herz erobert hat. Liebe und Zwang sind Gegensätze  genauso wie OVID und der Typ von CORINNA, der gegen dieses eherne Gesetz verstößt. Das aber wird Gott Amor nicht gefallen. Und dann gilt für OVID, wie es in einem Song heißt: Our time will come...
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garantiert
fehlinterpretiert
by Hidalgo


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