Murmillo-Archiv

Montag, 29. September 2014

OVID: METAMORPHOSEN V, 385-408 (RAPTUS PROSERPINAE)

Haud procul (Nicht fern) Hennaeis lacus est a moenibus (von den Mauern von Henna ist ein See), altae,
nomine Pergus, aquae (von tiefem Wasser mit Namen Pergus): non illo (nicht als jener) plura (mehr) Caystros (C.)
carmina cygnorum (Gesänge der Schwäne) labentibus audit (anderee lectio: edit=gibt von sich) in undis (hört in den gleitenden Wogen).
Silva coronat aquas (Ein Wald umkränzt die Wasser) cingens latus omne (umgebend das ganze Ufer (Seite) suisque
frondibus (und mit seinem Laub; poet. Plural) ut velo (wie mit einem Sonnensegel) Phoebeos submovet ictus (hält es die die stechenden Sonnenstrahlen des Apoll fern).
Frigora dant rami (Die Zweige geben Kühlung; poet. Plural), varios humus umida flores (und vielerlei Blumen der feuchte Boden):
perpetuum ver est (da ist immerwährender Frühling). Quo dum Proserpina luco
ludit (Während Proserpina in diesem Hain spielt) et aut violas aut candida lilia carpit (und Veilchen oder weiße Lilien pflückt),
dumque (und als) puellari studio (in mädchenhaftem Eifer) calathosque sinumque (ihre Körbchen und den Gewandbausch)
implet (füllt) et aequales certat superare legendo (und wetteifert, ihre Altersgenossinnen durch Sammeln zu übertreffen),
paene simul (fast zugleich; zeitgleich) visa est (ist sie gesehen worden) dilectaque raptaque Diti (begehrt und geraubt durch Dis (=der Herrscher des Orcus):
usque adeo (so sehr (in einem fort)) est properatus amor (ist die Liebe "beschleunigt" worden; hat die Liebe den Dis überrollt). Dea territa (die erschreckte Göttin) maesto (mit traurigem)
et matrem et comites (sowohl die Mutter als auch die Begleiterinnen), sed matrem saepius (doch die Mutter öfters), ore
clamat (ruft mit dem Mund; darauf bezogen: maesto), et ut (und wie; als; sobald als) summa vestem laniarat ab ora (ihr Gewand vom oberen Rand zerrissen hatte),
conlecti flores (die gesammelten Blumen) tunicis cecidere remissis (fielen aus dem losen (losgelassenen) Leinengewand; Unterkleid poet. Plural):
tantaque simplicitas (eine so große Einfalt) puerilibus adfuit annis (war den jugendlichen Jahren "dabei"; eigen; stupid little girl; AdV.):
haec quoque virgineum movit iactura dolorem (dieser Verlust "bewegte" auch ihren "jungmädchenhaften" Schmerz; ridere licet!).
Raptor agit currus (Der Räuber treibt seinen Wagen an; poet. Plural), et nomine quemque vocando (und durch "jedes mit Namen Rufen"; indem er jedes einzelne mit dem Namen ruft)
exhortatur equos (ermahnt er die Pferde; feuert er sie an), quorum per colla iubasque (über deren Nacken und Mähnen)
excutit (schwingt er; schüttelt er; schlägt er) obscura tinctas ferrugine habenas (die mit dunkler Rostfarbe (dunkle Farbe; Eisenrost) gefärbten Zügel)
perque  lacus sacros (und durch die heiligen Seen; poet. Plural) et olentia sulphure fertur
stagna Palicorum (und die nach Schwefel riechenden Sümpfe der Paliken (Zwillingssöhne Jupiters) wird er getragen; reist es ihn fort; rast er dahin) rupta ferventia terra (brodelnd in der aufgerissenen Erde; "ferventia" zu "stagna")
et qua Bachiadae (und wo die Nachkommen des Bacchis), bimari gens orta Corintho (das aus dem zweifach umwogten (von zwei Meeren umspülten) Korinth stammende Geschlecht),
inter inaequales posuerunt moenia portus (Mauern errichteten zwischen zwei ungleichförmigen Häfen).
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v. 390: "Kühlung beut das Gezweig..." (R.Suchier)
humus umida=Feuchtgrund (E. Rösch; auch nicht schlecht!)
haec...dolorem: "dieser Verlust war auch ein Schmerz ihrem Mädchengemüte"
(die nächste Lateinarbeit ist auch zuviel für manch ein Mädchengemüt!)
v. 406: stagna="Pfuhl" (vgl. Sündenpfuhl)
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Es wird hier ein sog. "locus amoenus" beschrieben: ein See mit Schwänen, Wald mit kühlendem Laub, Blumen auf feuchtem Grund (wie schön!). Dort spielt Proserpina-ein "stupid little girlie"-ihre kindischen Spielchen. Anstatt ihre Umgebung im Auge zu haben, pflückt sie Blümlein. Hätte sie mal besser aufgepaßt (und ihr smartphone bereitgehalten)! Denn da naht schon das Verderben in Gestalt des Unterweltgottes Dis (aka Pluto; aka Hades). Der fackelt nicht lange rum und greift sich das naive Häschen.
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Ich sehe hier zwei Antithesen:
1.) Proserpina: lieb, nett, ein bißchen blöd zwar, aber ein guter Mensch, hilflos, das geborene Opfer---Pluto: finster, zugreifend, brutal, hat Gewaltproblem, Choleriker, ein Frevler; Verbrecher-und Tätertyp.
2.) die arkadische Landschaft am See (lichtvoll)---der Höllenschlund, in den Pluto mit der geraubten Proserpina hinabfährt (dunkel; finster)
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der mehrfache Frevel des Pluto:
1.) gegen Proserpina
2.) gegen seine Schwester Ceres
3.) wider die Natur und Ordnung
4.) gegen die Nymphe Cyane
(Körperverletzung; Raub; Nötigung; Vergewaltigung; Geschwindigkeitsübertretung; Hausfriedensbruch (im Teich der Cyane) und das alles aus niedrigen sexuellen Motiven!)
(vor einem amerikanischen Gericht gäbe das mindestens 125 Jahre!)
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Und so greifen die Mächte der Finsternis nach der armen Proserpina und sie kann nichts machen. Once victim, always victim. Es ist wie in der Welt: der Gute geht unter, der Schurke trimphiert.
(Proserpina hätte besser ein wenig Kickboxen trainiert.)
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tribunus
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Gewandbausch

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